Gewicht und Kosten sparen im IIoT

Artikel-Bibliothek – Verwendung von Single-Pair-Ethernet zur Einsparung von Platz und Gewicht bei gleichzeitiger Verbesserung der Performance im industriellen IoT

Gewicht und Kosten sparen im IIoT

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Von Bill Giovino

Zur Verfügung gestellt von diesem Nordamerikanische Fachredakteur von Digi-Key

2021-05-26

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Ethernet ist der beliebteste kabelgebundene Netzwerkstandard für IIoT-Netzwerke (IIoT: Industrielles Internet der Dinge) und bietet solide Leistung und bewährte Zuverlässigkeit. Darüber hinaus reduziert Power over Ethernet (PoE) den Verdrahtungsaufwand, indem Sensoren und IIoT-Endpunkte über das gleiche Ethernet-Kabel mit Strom versorgt werden. Ethernet hat sich auch in PKWs zum Standard entwickelt und ersetzt in vielen Fällen das serielle Protokoll des Controller Area Network (CAN). Dies bietet spürbare Vorteile für autonomes Fahren und Fahrerassistenzsysteme (ADAS – Advanced Driver Assistance Systems) aufgrund der Zuverlässigkeit und hohen Datenrate von Ethernet.

In großen IIoT-Netzwerken können Ethernet-Kabelbündel jedoch so groß, schwer und unhandlich werden, daß die Kabelbündel zu Hindernissen werden, die die Geräte beschweren und zusätzliche Verstärkung erfordern. Dies ist besonders problematisch für Automobilanwendungen, bei denen das zusätzliche Gewicht und der Platzbedarf die Kapazität und die Laufleistung verringern. In industriellen Transportanwendungen wie Lastkraftwagen, Personen- und Güterzügen und Flugzeugen können die zusätzliche Größe und das Gewicht der Kabel so groß sein, daß sie im Systemdesign kompensiert werden müssen, was die Kosten erhöht und die Rüstzeiten verlangsamt.

Um diese Probleme zu lösen, haben die Hersteller SPE-Steckverbinder und -Kabel (SPE: Single Pair Ethernet) eingeführt, die auch PoDL (Power over Data Lines, Stromversorgung über Datenleitungen) unterstützen. SPE bietet Highspeed-Datenübertragung sowie Stromversorgung über nur ein verdrilltes Adernpaar. In diesem Artikel werden die Vorteile von SPE für Industrie- und Transportanwendungen erläutert. Anschließend werden zwei SPE-Steckverbinder von Phoenix Contact sowie zwei SPE-Kabel vorgestellt, die für SPE-Anwendungen geeignet sind.

SPE versus konventionelles Ethernet

Ethernet ist der beliebteste kabelgebundene Netzwerkstandard für kommerzielle und industrielle lokale Netzwerke (LAN – Local Area Network). Die am weitesten verbreiteten Versionen sind 10/100Base-T-Ethernet, das zwei verdrillte Adernpaare zur Datenübertragung verwendet, und Gigabit-Ethernet, das vier verdrillte Adernpaare verwendet. Da industrielle Automatisierungssysteme schnellere Geschwindigkeiten erfordern, ist Gigabit-Ethernet mit PoE für die Verbindung von Computern mit Sensoren immer beliebter geworden. Üblicherweise wird 24AWG-Kupferdraht für die verdrillten Paare verwendet. Diese acht Drähte befinden sich normalerweise in einem CAT5e-Kabel in Industriequalität, das mit Schaumstoffband und einer Folienabschirmung ummantelt ist. In einer großen Industrieanlage sieht man Hunderte dieser Kabel im ganzen Gebäude verlegt. Diese Kabelbündel können schwer werden. Anstatt sie über den Boden zu verlegen, wo jemand darüber stolpern kann, werden sie in Kabelbäumen gebündelt, die an Wänden und Anlagen befestigt werden. Diese Bündel können 50 Pfund (lb) oder mehr wiegen, und wenn das zusätzliche Gewicht weiterer Kabel nicht berücksichtigt wird, können sie das Kabelträgersystem belasten oder brechen oder sogar Geräte umstürzen lassen.

Darüber hinaus haben herkömmliche Ethernet-Kabel eine Längenbegrenzung von 100 Metern (m). Bei größeren Industrieanlagen und in der Gebäudeautomatisierung müssen manchmal Repeater eingesetzt werden, um die Reichweite von Ethernet-Kabeln zu verlängern, um entfernte Sensoren zu erreichen. Dies erhöht die Komplexität des Systems und führt einen weiteren Punkt für die Wartung ein. Angesichts des zusätzlichen Zeitaufwands und der zusätzlichen Kosten für das Verlegen dieser dicken, schweren Kabel ist es klar, daß eine alternative Verkabelungsmethode erforderlich ist.

SPE bietet bidirektionale Datenübertragung und überträgt darüber hinaus Versorgungsstrom über ein Twisted-Pair-Kabel. Es unterstützt Kabellängen von bis zu 1000 m und vergrößert so die Reichweite der vernetzten Sensoren ohne den Einsatz von Repeatern. Dies führt zu einer erheblichen Gewichtsreduzierung und vereinfacht die Installation durch ein einfacheres Layout, eine maximale Energieeffizienz, einen geringeren Platzbedarf und geringere Einrichtungs- und Wartungskosten im Vergleich zu herkömmlichem Ethernet. Während in industriellen Systemen geschirmte Ummantelungen verwendet werden können, um zu verhindern, daß sich Kabelbündel gegenseitig stören, werden auch leichte ungeschirmte Kabel unterstützt. Dies ist ein Vorteil bei Anwendungen im Automobilbereich, denn so können leichte Kabel leichter in engen Bereichen wie unter den Sitzen und unter Trittbrettern verlegt werden. Mit den kombinierten Vorteilen eines kleineren und leichteren Kabels sowie der Bereitstellung von Highspeed-Daten neben der Stromversorgung in einem einzigen kostengünstigen Adernpaar wird erwartet, daß sich SPE zu einem beliebten, wenn nicht gar dominierenden, industriellen Kommunikationsstandard entwickeln wird.

SPE-Grundlagen

Die formale IEEE-Spezifikation für SPE mit 10 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) ist 802.3cg. Es unterstützt Vollduplex-Datenkommunikation bis zu 1000 m.

IEEE 802.3bw unterstützt Vollduplex-Datenkommunikation mit bis zu 100 Mbit/s für Kabel bis zu 50 m. Es zielt auf Hochgeschwindigkeitssensoren in industriellen Anwendungen und einigen Automobilanwendungen ab.

IEEE 802.3bp unterstützt Vollduplex-Datenkommunikation mit bis zu 1000 Mbit/s bei einer Kabellänge von bis zu 15 m. Bei dieser Kabellänge ist es für einige industrielle Sensoranwendungen einsetzbar, eignet sich aber besonders für High-Definition-Video sowie für kleine Flugzeuge und kommerzielle Automobilanwendungen, bei denen Highspeed-Sensordaten über eine relativ geringe Distanz übertragen werden müssen.

Zurzeit unterstützt IEEE 802.3ch bis zu 10 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) bei einer Kabellänge von bis zu 15 m. Es ist ähnlich wie 802.3bp, beinhaltet aber die Physikalische Schicht (PHY). Dies ist in erster Linie auf kommerzielle Automobil- und industrielle Transportanwendungen ausgerichtet, bei denen hohe Datenraten, ein kleinerer Kabeldurchmesser und vor Allem ein geringeres Gewicht sehr wichtige Aspekte beim Systemdesign sind.

SPE mit PoDL versorgt den Ethernet-Sensor oder -Endpunkt über dieselbe verdrillte Zweidrahtleitung mit Strom, wobei die Höhe der Stromabgabe von der Kabellänge und dem Aderquerschnitt bestimmt wird. Bei einer maximalen Länge von 1000 m unter Verwendung von 14AWG-Draht erlaubt die IEEE-Spezifikation eine Leistung von 60 Volt und 13,53 Watt am Endpunkt.

Industrielle SPE-Hardware

Industrielle SPE-Anschlüsse verwenden keine RJ45-Stecker, sondern den neuen Steckverbinderstandard IEC 63171 T1. Phoenix Contact liefert eine Familie von SPE-Steckverbindern und -Kabeln, die auf industrielle Anwendungen ausgerichtet sind.

Für industrielle SPE-Applikationen, die IP67-Robustheit benötigen, bietet Phoenix Contact einen echten M8-Anschluß unter Verwendung des SPE-M8-2-Einsatzes 1163793 mit dem M8-Gehäuse 1412502 (Bild 1). Die Kombination aus Gehäuse und Einsatzbaugruppe bietet Schutzart IP67, die für raue Industrieumgebungen geeignet ist. Die leichte Baugruppe ist auch für Luftfahrt- und Transportsysteme geeignet.

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Bild 1: Der M8-2-Einsatz 1163793 von Phoenix Contact (links) und das M8-Gehäuse 1412502 (rechts) bieten im montierten Zustand eine echte SPE-M8-Lösung mit Schutzart IP67. (Bildquelle: Phoenix Contact)

Die Steckverbinderbaugruppe kann PoDL mit bis zu 72 Volt bei 4 Ampere (A) versorgen und ist für einen Temperaturbereich von -40 °C bis +85 °C ausgelegt, wodurch sie für die Stromversorgung von IIoT-Endpunkten und Sensorknoten in Außenumgebungen geeignet ist. Das beliebte M8-Steckerformat macht es Systemherstellern leicht, vorhandene Sensoren und Geräte mit M8-Steckern auf SPE umzurüsten. Die SPE-Steckerbaugruppe verwendet ein SPE-Standard-M8-2-Steckermuster mit D-Codierung, um sicherzustellen, daß nur SPE-Kabel in die Steckerbaugruppe gesteckt werden.

SPE-Hardware für Unternehmen

SPE eignet sich auch für Unternehmenssysteme, einschließlich Büroumgebungen, in denen die leichteren Kabel mit kleinerem Durchmesser einfacher zu bauen und zu verlegen sind. IP67-Industrieanwendungen können über das gleiche SPE-Netzwerk problemlos mit diesen Unternehmenssystemen interagieren. Für Unternehmensanwendungen, die typischerweise Schutzart IP20 erfordern, ist eine geeignete Lösung die modulare SPE-Buchse 1163797 von Phoenix Contact, eine durchkontaktierte, gelötete IEC63171-Buchse mit einem Verriegelungsclip, der eine solide Kabelverbindung gewährleistet (Bild 2).

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Bild 2: Die modulare SPE-Buchse 1163797 von Phoenix Contact ist kompatibel zu allen gängigen SPE-Standards. Sie ist für eine Spannung von bis zu 72 Volt bei 4 A ausgelegt. (Bildquelle: Phoenix Contact)

Der M8-2-Einsatz ist kodiert, um Fehlsteckungen zu vermeiden. Die Buchse hat zwei vergoldete Stecker aus einer Kupferlegierung, die den Übergangswiderstand auf ein Minimum beschränken, sodaß sie PoDL bis zu 70 Volt bei 4 A liefern kann. Das M8-Gehäuse besteht aus Messing mit Nickelbeschichtung, um Korrosionsbeständigkeit zu gewährleisten.

Der 1163797 unterstützt alle aktuellen SPE-Steckverbinder-Spezifikationen von 802.3cg/bu/bw/bp. Er ist für den Einsatz in rauen Umgebungen ausgelegt, mit mehr als 750 Steck- und Trennzyklen, entspricht der Schutzart IP20, hat einen Betriebstemperaturbereich von -40 °C bis +85 °C und mißt 5 x 8,35 x 14,2 mm. Damit eignet er sich für die Lötmontage auf Einplatinencomputern (SBCs) sowie Speicher-Programmierbaren Steuerungen (SPS), bei denen gelegentlich Kabel vertauscht werden. Zu den Beispielszenarien, in denen sich dies als nützlich erweist, gehören Fertigungsanlagen, die für verschiedene Produktbaugruppen umkonfiguriert werden müssen.

SPE-Kabel für IIoT

Für kurze SPE-Verbindungen liefert Phoenix Contact das 2 m lange SPE-Kabel 1183808. Dieses Kabel unterstützt PoDL bis zu 72 Volt bei 4 A und hat zwei SPE-Buchsen an jedem Kabelabschluß (Abbildung 3). Während herkömmliches Ethernet Buchsen an den Kabelenden und Buchsen an den Endpunkten hat, ist die SPE-Hardware umgekehrt.

Der Kabelmantel besteht aus Polyurethan, das gegen Ultra-Violettes (UV) Licht, Abrieb und die meisten Lösungsmittel beständig ist. Polyurethan-Kabel sind außerdem resistent gegen Schrumpfung und Rißbildung, die durch Sonneneinstrahlung und Wasser verursacht werden, sowie gegen harsche Verwendung, wie sie in industriellen Umgebungen üblich ist. Das Kabel ist durch einen verzinnten, kupferumflochtenen Schirm, der mit kunststoffbeschichteter Aluminiumfolie umwickelt ist, vor Elektro-Magnetischen Störungen (Electro-Magnetic Interference – EMI) geschützt. Dadurch ist es für elektrisch verrauschte Umgebungen geeignet, besonders wenn es mit anderen Highspeed-Kabeln gebündelt wird.

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Bild 3: Das SPE-Kabel 1183808 von Phoenix Contact ist 2 m lang und hat einen Schutzmantel aus Polyurethan. Es ist gegen EMI abgeschirmt und unterstützt Datenraten von bis zu 1000 Mbit/s. (Bildquelle: Phoenix Contact)

Die Buchsenkontakte des Kabels bestehen aus einer Kupferlegierung und unterstützen sowohl die 802.3cg-konforme 10Mbit/s-Datenübertragung als auch die 100Mbit/s-Geschwindigkeit nach 802.3bw. Die höchste Übertragungsrate beträgt nach 802.3bp 1000 Mbit/s und ist damit nicht nur für Sensoren, sondern auch für hochauflösende (HD – High Definition) Videoüberwachungsgeräte geeignet.

Während der Kabelmantel unempfindlich gegen Wasser und Staub sowie flammbeständig nach UL94V0 ist, ist die Kabelkonfektionierung aufgrund der Kabelabschlußstecker in IP20 eingestuft. Jeder Stecker verfügt über einen Verriegelungsclip, um das Kabel sicher mit dem Buchsenendpunkt zu verbinden. Dieser Verriegelungsmechanismus ist Teil des SPE-Steckverbinderstandards, um ein versehentliches Abziehen in stark frequentierten Umgebungen zu verhindern. Das Kabel ist für den Betrieb bei -40 °C bis +85 °C und für bis zu 750 Steckzyklen ausgelegt. Es eignet sich für den Innenbereich mit Patch-Panels sowie für Verbindungen zwischen IIoT-Sensoren und SPE-Verteilerdosen.

Für Anwendungen, die ein längeres Kabel benötigen, bietet Phoenix Contact das 5 m lange SPE-Kabel 1183811 an, das die gleichen Spezifikationen wie das 1183808 hat.